Anrufbürgerbus

Was ist ein Anrufbürgerbus? 

Ein Anrufbürgerbus verbindet die Merkmale eines Bürgerbusses mit den Merkmalen eines Anrufbusses.

Ein Anrufbürgerbus wird von ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern betrieben. Damit entfallen Personalkosten, wodurch die Verkehrsleistung vergleichsweise günstig erbracht werden kann. Anrufbürgerbusse richten sich an verschiedene Zielgruppen. Viele Bürgerbus-Angebote sind auf Menschen ausgerichtet, die besonders auf den ÖPNV angewiesen sind, beispielsweise Kinder, Jugendliche und ältere Menschen. Ein Bürgerbus kann sich aber auch an weitere Zielgruppen richten, z. B. Pendlerinnen und Pendler. Wichtig ist, dass die Angebotsgestaltung zwar von den Bedürfnissen bestimmter Zielgruppen ausgehen kann, im genehmigungspflichtigen Betrieb aber kein Fahrgast von der Beförderung ausgeschlossen werden darf.

Ein Anrufbürgerbus verkehrt nur nach vorheriger Anmeldung. So können Leerfahrten vermieden und auch geringe Nachfragepotenziale bedient werden. Aufgrund der verschiedenen Möglichkeiten der zeitlichen und/oder räumlichen Flexibilisierung ergeben sich für den Anrufbürgerbus eine Vielzahl von Angebotsformen und Einsatzmöglichkeiten.

Welche Vorteile bietet ein Anrufbürgerbus?

Ein Anrufbürgerbus schließt räumliche und/oder zeitliche Lücken im ÖPNV-Angebot. Je nach Bürgerbus-Angebot stehen Nutzerinnen und Nutzern beispielsweise neue Fahrtstrecken zur Verfügung oder eine bessere Anbindung an das bestehende ÖPNV-Netz. Wird bei der Gestaltung des Angebots gezielt die Anbindung von Versorgungseinrichtungen, etwa von Geschäften oder Arztpraxen, berücksichtigt, kann zu einer Verbesserung der Versorgungslage vor Ort beigetragen werden. 

Für die Kommune ist der Anrufbürgerbus eine kostengünstige Ergänzung des bestehenden ÖPNV-Angebotes. In der Regel verkehren Anrufbürgerbusse in dünn besiedelten Gebieten auf Strecken und zu Zeiten, die für ein herkömmliches ÖPNV-Angebot wirtschaftlich nicht tragbar sind.

Neben einer Verbesserung des Mobilitätsangebots, bieten Anrufbürgerbusse auch die Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu treten. Die Nutzung von Bürgerbussen und das Engagement in Bürgerbusvereinen bieten Raum für gesellschaftlichen Anschluss und stärken den Zusammenhalt im Bedienungsgebiet. 

Was ist für eine erfolgreiche Umsetzung zu beachten?

Ein Anrufbürgerbus wird zumeist durch einen Bürgerbusverein betrieben und geht auf die Initiative einzelner Bürgerinnen und Bürger zurück. Diese stehen zunächst vor der Frage, wie das Angebot ausgestaltet werden soll (z. B. Festlegung von Bedienungsgebiet und Fahrplan). Hierfür ist eine Potenzialabschätzung unabdingbar. Sie dient der Sicherstellung einer ausreichenden Nachfrage für das Angebot und kann zudem als Argumentationshilfe gegenüber den Gemeinden und Landkreisen verwendet werden. Für die Nachfrage- und Bedarfsermittlung sind Untersuchungen durchzuführen, die die Gegebenheiten vor Ort (z. B. Bevölkerungsdichte, Siedlungsstruktur, Kundengruppen oder alternative Mobilitätsangebote) erfassen. Dabei ist es sinnvoll, die Bevölkerung, beispielsweise über eine Bürgerbefragung, einzubeziehen. Bei der Gestaltung des liniengebundenen Bürgerbusses sind auch die angebotsseitigen Beschränkungen zu berücksichtigen: In der Regel steht für den Bürgerbus nur ein Fahrzeug mit gegebener Kapazität (max. acht Fahrgastplätze) zur Verfügung. Auch die Zahl der ehrenamtlichen Fahrkräfte ist begrenzt und bestimmt die möglichen Angebotsstunden. Der Anrufbürgerbus soll bestehende Verkehrsangebote ergänzen, aber nicht ersetzen. Die Abstimmung mit den örtlichen Verkehrsunternehmen ist daher unabdingbar.

Welche Angebotsformen sind möglich?

Das Angebot von Anrufbürgerbussen kann unterschiedlich ausgestaltet sein. Es wird zwischen der räumlichen und zeitlichen Flexibilisierung unterschieden. Diese können weitestgehend kombiniert werden. 

Ein Element der zeitlichen Flexibilisierung ist der Grad der Fahrplanbindung, für die es verschiedene Optionen gibt: 

  • Der Anrufbürgerbus verkehrt fahrplangebunden. Jede Haltestelle ist mit einer An- und Abfahrtszeit versehen. (Bedarfslinienverkehr) 
  • Der Anrufbürgerbus verkehrt nur zum Teil fahrplangebunden, z. B. können die Abfahrtszeiten an der Starthaltestelle festgelegt sein, nicht aber an den Zwischenhaltestellen. Bei der Anmeldung eines Fahrwunsches muss der Fahrgast die gewünschte Abfahrtszeit an der Starthaltestelle nennen. 
  • Der Anrufbürgerbus verkehrt nicht fahrplangebunden. Die Fahrgäste wählen die gewünschte Abfahrtszeit selbst. 

Auch bei der räumlichen Flexibilisierung ergeben sich verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. Wesentlich für die Unterscheidung der Angebotsformen ist die Festlegung der Orte, an denen Fahrgäste ein- und aussteigen können sowie die Festlegung des Fahrtverlaufs. Möglich sind neben regulären, festen Haltestellen auch Bedarfshaltestellen und/oder individuell angemeldete Zu- und Ausstiegsstellen, beispielsweise am eigenen Wohnort. Auch das Bedienungsgebiet ist ein wesentlicher Bestandteil der jeweiligen Angebotsform. In der Regel unterscheidet man folgende Ausprägungsformen der räumlichen Flexibilisierung:

  • Bedarfslinienbetrieb: Der Anrufbürgerbus verkehrt fahrplangebunden. Es werden nur die Haltestellen bedient, für die ein Zustieg- oder Ausstiegwunsch angemeldet worden ist.
  • Richtungsbandbetrieb: Start- und Zielort sind fest bediente Haltestellen, die häufig als Verknüpfungspunkte zum übergeordneten Netz dienen. Die Verbindung zwischen Start- und Zielort wird allerdings flexibel gestaltet und ergibt sich aus den angemeldeten Fahrtwünschen. Der Fahrtverlauf ist jedoch immer richtungsgebunden. 
  • Flächenbetrieb: Anders als der Betrieb im Richtungsband ist der Flächenbetrieb nicht richtungsgebunden. Der Fahrtverlauf ergibt sich aus den angemeldeten Fahrtwünschen.

Auf welcher rechtlichen Grundlage beruht ein Anrufbürgerbus?

Für den Betrieb eines Anrufbürgerbusses bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur organisatorischen Ausgestaltung:

  1. Der Bürgerbus kann in der sogenannten „genehmigungsfreien Nische“ nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 Personenbeförderungsgesetz (PBefG) verkehren. In diesem Fall unterliegt die Beförderung nicht dem PBefG . Das Entgelt, das erhoben wird, darf die Betriebskosten der Fahrt nicht übersteigen. Dies kann die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Bürgerbusses erschweren. Bei einem Bürgerbus in der „genehmigungsfreien Nische“ ist die Abstimmung mit Verkehrsunternehmen nicht erforderlich, aber dennoch sinnvoll. Die Notwendigkeit einer Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung (Personenbeförderungsschein) entfällt.
  2. Die zweite Option besteht darin, den Bürgerbus als ÖPNV-Linienverkehr nach § 42 PBefG bzw. als Sonderform des Linienverkehrs nach § 43 PBefG (z. B. Marktfahrten) zu betreiben. In diesem Fall sind eine Genehmigung und eine Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung erforderlich. Bürgerbusvereine können eine eigene Genehmigung nach PBefG beantragen. Hierfür müssen allerdings einige Voraussetzungen erfüllt werden. Insbesondere muss ein Vorstandsmitglied des Vereins über die Sach- und Fachkundeprüfung für Straßenpersonenkraftverkehr verfügen. Diese erfordert die Teilnahme an einer Lehrveranstaltung, die etwa 60 Stunden dauert und rund 500 Euro kostet. Die meisten Bürgerbusvereine agieren deshalb formal als Subunternehmer eines Verkehrsunternehmens. Das setzt allerdings voraus, dass das Verkehrsunternehmen bereit ist, den Bürgerbus zu unterstützen und die Verantwortung zu übernehmen, die mit der Genehmigung einhergeht. Ein Bürgerbus im genehmigungspflichtigen Betrieb darf einen Fahrpreis bis zur Höhe des ortsüblichen Verbundtarifs erheben. Damit ist eine wesentliche Grundlage für einen wirtschaftlich dauerhaft tragfähigen Betrieb gegeben. Ein genehmigungspflichtiger Bürgerbusbetrieb ist in das bestehende ÖPNV-Angebot integriert. Dies gibt dem Bürgerbus eine größere Sichtbarkeit und kann die Nutzung erleichtern.

Welche Akteure sind an der Umsetzung beteiligt?

An einem Anrufbürgerbus beteiligen sich im Wesentlichen Ehrenamtliche, Gemeinden, Verkehrsunternehmen und Landkreise bzw. kreisfreie Städte. Die Aufgabenverteilung richtet sich sowohl nach der Ausgestaltung des Angebots als auch nach den jeweiligen Gegebenheiten, Möglichkeiten und Interessen.

In der Regel nehmen die Ehrenamtlichen vielfältige Aufgaben wahr, wie beispielsweise:

  • Fahrdienst
  • Disposition
  • Wartung und Pflege
  • Werbung und Öffentlichkeitsarbeit
  • Interessenvertretung und Vereinsleben

Als Betreiberin bzw. Betreiber des übrigen ÖPNV-Angebotes unterstützen die örtlichen Verkehrsunternehmen die Betreiber des Bürgerbusses bei der Erarbeitung des Bürgerbus-Angebotes. Oft beantragt ein Verkehrsunternehmen die Genehmigung für die Bürgerbus-Linie und lässt den Bürgerbus als Subunternehmen fahren. Das Verkehrsunternehmen kann auch weitere Aufgaben übernehmen, etwa die Wartung oder die Einnahmenabrechnung.

Ein zentraler Bestandteil eines Anrufbürgerbusses ist die Entgegennahme von Fahraufträgen. Die meisten Betreiberinnen und Betreiber von Anrufbürgerbussen organisieren Auftragsannahme und Disposition selbst oder greifen auf Unterstützung durch die Kommune zurück, beispielsweise durch eine Auftragsannahme im Bürgerbüro. Die Auftragsannahme kann im Prinzip aber auch an ein Verkehrsunternehmen ausgelagert werden, da dieses in der Regel ohnehin eine Mobilitätszentrale oder einen Telefondienst betreibt. Ein eigener Telefondienst bietet eine Einsatzmöglichkeit für Menschen, die sich für den Bürgerbus engagieren wollen, aber nicht im Fahrdienst tätig sein wollen oder können.

Die Gemeinde ist meist an der Finanzierung beteiligt. Diese kann sich auf die Investitionskosten, insbesondere die Anschaffungskosten des Fahrzeugs, und/oder auf die Betriebskosten beziehen. Die Gemeinde kann als Fahrzeughalterin fungieren und das Fahrzeug mit anderen Gemeindefahrzeugen versichern und warten lassen. Sie kann auch Rechtsträgerin und Konzessionsinhaberin sein. Außerdem kann sie praktische Hilfe leisten, indem sie z. B. Räumlichkeiten für Arbeitsgruppen zur Verfügung stellt oder die Ehrenamtlichen durch Verwaltungsmitarbeitende unterstützt. Die Gemeinde kann auch die ehrenamtliche Tätigkeit des Bürgerbusvereins öffentlich würdigen und damit den Gemeinschaftssinn und die Motivation der Mitglieder stärken. 

Die Vernetzung mit anderen Bürgerbusvereinen ist sinnvoll, um praxisorientierte Ratschläge zu erhalten. Auch Bürgerbus-Interessensverbände (z. B. Pro Bürgerbus NRW e. V.) können Hilfestellung geben.

Der Bürgerbusbetrieb erfordert ein hohes Maß an langfristigem bürgerlichem Engagement. Es müssen sich genügend Menschen zusammenfinden, die die notwendige Motivation mitbringen und die verschiedenen für den Betrieb notwendigen Kompetenzen bündeln, beispielsweise das Fahren, das Disponieren oder das Beantragen von Fördermitteln. Der Öffentlichkeitsarbeit kommt im Bürgerbusbetrieb eine hohe Bedeutung zu, um Fahrgäste und Ehrenamtliche zu gewinnen und den Betrieb langfristig aufrechtzuerhalten. Hierbei kann die Gemeinde unterstützen.  

Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBSR), 2009: Handbuch zur Planung flexibler Bedienungsformen im ÖPNV. Zugriff: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/ministerien/bmvbs/sonderveroeffentlichungen/2009/DL_HandbuchPlanungNeu.pdf?__blob=publicationFile&v=2 [abgerufen am 22.12.2023].

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (Hrsg.), 2016: Mobilitäts- und Angebotsstrategien in ländlichen Räumen. Planungsleitfaden für Handlungsmöglichkeiten von ÖPNV-Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen unter besonderer Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte flexibler Bedienungsformen. Zugriff: https://www.bmvi.de, Service, Publikationen [abgerufen am 22.12.2023].

Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH (NVBW) (Hrsg.), 2015: BürgerBusse in Fahrt bringen. Stationen auf dem Weg zum BürgerBus. Zugriff: https://www.buergerbus-bw.de, Links und Downloads [abgerufen am 22.12.2023].

Pro Bürgerbus NRW e. V. (Hrsg.), 2019: Bürger fahren für Bürger. Leitfaden für die Einrichtung und den Betrieb von Bürgerbussen. Zugriff: http://www.pro-buergerbus-nrw.de, Service, Broschüren & Downloads, Broschüren [abgerufen am 22.12.2023].

Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH (VBB) (Hrsg.), Dezember 2005: BürgerBusse im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg. Handbuch für Betreiber, Fahrer und Fahrgäste. Zugriff: https://www.buergerbusse-brandenburg.de, Bürgerbus, Potentialabschätzung [abgerufen am 22.12.2023].